Thüringen

Nahwärme mit Mehrwert - Biomasse BHKW Bechstedt

2 Männer legen eine Nahwärmeleitung in den Boden

Verlegung der Nahwärmeleitung Bild: LEADER-Aktionsgruppe Saalfeld-Rudolstadt

Stand:

04.08.2015

Kontakt:

EnergieGenossenschaft Bechstedt
Ortsstraße 14
07426 Bechstedt
Jürgen Patschull
Mobil: 0172 / 990 4408
E-Mail: b.kolbmueller@t-online.de

Weitere Partner:

Förderung Nahwärmenetze Königsee und Oberwellenborn im Rahmen "Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung in Thüringen.

ELER-Förderung:

nein

Finanzierung:

Gegenstand des LEADER-Projektes ist der Bau des Gebäudes inklusive Trocknungsanlage Gesamtkosten EUR 350.000 EUR Förderbetrag: 157.500 EUR (45 Prozent) Eigenanteil des Projektträgers: 122.500 EUR (55 Prozent)

Laufzeit:

Juni 2012 bis Dezember 2012

Themen:

  • Erneuerbare Energien
    • Bioenergie
    • Nahwärmesysteme
    • dezentrale Versorgung mit erneuerbaren Energien
  • Förderung regionaler Wirtschaft
    • regionale Finanzierungsmodelle
  • Gesellschaft und Soziales
    • Bürgerbeteiligungsprozesse
    • bürgerschaftliches Engagement
  • Grundversorgung und Infrastruktur
  • Landwirtschaftliche Produkte
    • nachwachsende Rohstoffe
  • Wald und Forst
    • nachwachsende Rohstoffe

Förderperiode:

  • ELER 2007 - 2013

Beschreibung

Zusammenfassung:

In der waldreichen Umgebung des Thüringer Schiefergebirges liegt das Bioenergiedorf Bechstedt, hier leben 165 Einwohner in 51 Haushalten. Ein Holzvergaser-Blockheizkraftwerk und ein Biomasse-Heizkessel versorgen 31 Haushalte und 4 öffentliche Gebäude mit Bioenergie (Strom und Wärme). Die Bürger waren von Anfang an in die Bioenergieprojekte involviert. Sie haben eine Genossenschaft gegründet, die heute Eigentümerin der Anlagen und des Wärmenetzes ist. Letzteres verlegten die Mitglieder komplett in Eigenregie.

Mit der überschüssigen Wärme werden im Sommer die regionalen Holzhackschnitzel - die vorwiegend aus Landschaftspflegeholz stammen - getrocknet. Zukünftig soll auch regionales Erntegut wie Getreide und Heilkräuter getrocknet werden. Mit dem Bioenergiedorfgedanken wurde Bechstedt nicht nur touristisch aufgrund der zahlreichen Führungen aufgewertet: Die intakte Dorfgemeinschaft und die innovative, kostengünstige Bioenergie Versorgung sind wichtige Argumente für Menschen im Ort zu bleiben bzw. neue Mitbewohner zu gewinnen.

Ausgangssituation:

Um eine Nahwärmeversorgung zu realisieren, konnten bereits bestehende Bioenergiedörfer nur eingeschränkt als Vorbild dienen. Für Bechstedt war es nicht möglich, die Abwärme einer Biogasanlage zu nutzen. Der nächstgelegene Betrieb mit Tierhaltung ist die Agrargenossenschaft Königsee, die direkt am Betriebsstandort Königsee die anfallende Gülle energetisch verwertet. Eine Biogasanlage, die ausschließlich auf der Basis nachwachsender Rohstoffe betrieben wird, kam aufgrund des ethischen Konfliktes, der sich aus der Nutzung wertvoller Böden für Energiepflanzen ergibt, für Bechstedt nicht in Frage.

Eine 2009 angefertigte Voruntersuchung des Thüringer Bioenergieberaters BIOBETH hatte ergeben, dass für den kleinen Ort im Thüringer Wald mit dem vergleichsweise überschaubaren Wärmebedarf Holz als Energiegrundlage in Frage kommt. Viele der zukünftigen Genossenschaftsmitglieder besitzen Privatwald. Außerdem haben weitere Waldbesitzer der Nachbargemeinden Interesse an festen Lieferverträgen in der Region. Nun stand die Frage: Gibt es eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung für ein Nahwärmenetz Bechstedt, das neben zwei Pensionen ausschließlich private Haushalte versorgt?

Eine Machbarkeitsstudie wurde beauftragt. Auf der Grundlage der vor Ort erfassten Anschlussdaten wurde der Wärmebedarf ermittelt. Die  Variante Nahwärmeversorgung über eine Holzhackschnitzelanlage ergab bei Wärmegestehungskosten, die mit denen fossiler Brennstoffe vergleichbar sind, einen jährlichen Verlust. Das Vorhaben wäre damit nur mit höheren Kosten für die Endverbraucher umsetzbar.

Bei der Suche nach alternativen Wegen wurde die Holzvergasung und hier insbesondere die neuartige Technologie der Spanner-Holz-Kraft-Anlage in den Blick genommen, die speziell für kleine Versorgungseinheiten entwickelt wurde. Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung bei der Spanner GmbH und dem Besuch von Betreibern entsprechender Kraft-Wärme-Anlagen in Bayern wurden weitere Informationen eingeholt.

Inhalt:

  • LEADER Projekt: Biomasse BHKW mit Nahwärmeleitung
  • Prozessbegleitung durch die LEADER Aktionsgruppe (siehe Besonderheiten)

Bechstedt ist mit rund 160 Einwohnern ein sehr kleines Dorf und damit typischer Vertreter für einen großen Teil der Siedlungen im ländlichen Raum Thüringens. Die Bürger der kleinen Gemeinde, die noch immer selbstständig ist, hatten sich drei Jahren mit der Idee einer autarken Nahwärmeversorgung beschäftigt.

Um die bestmögliche technische Löung zu finden, wurde eine Nahwärmestudie für Bechstedt beauftragt. Folgende, aus wirtschaftlicher Sicht sinnvolle und für Thüringen innovative Lösung kam zur Umsetzung: 

In Kombination mit einem Holzhackschnitzelkessel von 750 kW, der nur zur Abdeckung der Spitzenlast im Winter genutzt wird, speist ganzjährig eine Holz-Kraft-Anlage Wärme in das Netz ein. Das Besondere an der Kraft-Wärme-Kopplung ist die Tatsache, dass neben der Wärme in erster Linie Strom produziert wird.

Bei der angestrebten jährlichen Laufzeit von 6.000 Stunden generiert die Anlage über die Einspeise-Vergütung zusätzliche Einnahmen im Jahr, die zur Bedienung von Kreditverbindlichkeiten genutzt werden können. Die Wärmeversorgung im Sommer erfolgt lediglich über die Holz-Kraft-Anlage (75 kW thermische, 30 kW elektrische Leistung). Trotz der reduzierten Leistung im Sommer verbleibt Wärme, die nicht von den Abnehmern benötigt wird. Diese Wärme wird zur Trocknung der Hackschnitzel verwendet.

Neben dem Trockenlager zum Beschicken der Anlage sieht der  Bauplan des Biomasse BHKW-Gebäudes einen zusätzlichen Gebäudeteil vor, der ebenfalls zum Trocknen und Lagern von Holzhackschnitzeln genutzt werden soll. Damit wird es möglich, in den Sommermonaten Heizmaterial zu bevorraten. Darüber hinaus können freie Trocknungskapazitäten als Dienstleistung Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Weiteres Potential zum Ausbau der wirtschaftlichen Tätigkeit der Genossenschaft ist durch die vor Ort mögliche Holzhackschnitzellogistik gegeben. Stammholz für den eigenen und einen darüber hinausgehenden Bedarf Dritter kann gelagert und durch die Genossenschaft zu Heizmaterial verarbeitet werden.

Ziele:

  • autarke Nahwärmeversorgung für Bechstedt
  • Installation EnergieGenossenschaft und Nahwärmeleitung als "Bindemittel" der Dorfgemeinschaft 

Besonderheiten:

Gewinner des BMEL-Wettbewerbs "Bioenergiedörfer 2014": Bechstedt ist einer von drei ausgewählten Orten, der ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro für die Weiterentwicklung seines Bioenergiedorfprojekts erhält. Der bundesweite Wettbewerb "Bioenergiedörfer 2014" richtet sich an Orte und Gemeinden im ländlichen Raum in Deutschland, die mindestens 50 Prozent ihres Strom- und Wärmebedarfs aus regional erzeugter Biomasse decken. Mit den Gewinner-Dörfern werden besonders innovative Bioenergiedörfer ausgezeichnet, die die effiziente Nutzung von Bioenergie in hervorragender Weise mit regionaler Entwicklung verknüpfen, die Bevölkerung vor Ort in die Prozesse entscheidend einbinden und die Nutzung von Bioenergie aktiv in das Regionalmarketing integrieren. Vor Umsetzung des eigentlichen Projektes stand ein umfassender, mehrjähriger Prozess der Projektentwicklung. Von der LEADER Aktionsgruppe organisierte Best Practice-Fahrten nach Niedersachen (Jühnde, Barlissen) und nach Franken dienten dem Erfahrungsaustausch hinsichtlich technischer und betriebswirtschaftlicher Lösungen. Persönliche Gespräche mit Bürgergenossenschaften wurden geführt. In zahlreichen Treffen im Dorf wurde das Projekte beraten. Ziel war es, so viele Anwohner wie möglich "mitzunehmen". Das Vorhaben gilt in der LEADER Region Saalfeld-Rudolstadt als Best Practice-Beispiel für mutige Bürgerprojekte. Von den Erfahrungen aus Bechstedt hat unter anderem die Dorfladen-Genossenschaft Rottenbach (ein Nachbarort) profitiert, die sich im Jahr 2013 gegründet hat. Ein genossenschaftlich betriebenes Nahwärmenetz entstand außerdem in Oberwellenborn. Die Initiative ging hier von der Agragenossenschaft Kamsdorf (Mitglied der LEADER Aktionsgruppe) aus. Grundlage der Nahwärmenversorgung in Oberwellenborn ist eine Biogasanlage. Als Vorlage für ein funktionierendes Nahwärmenetz diente das Projekt Nahwärmeversorgung Schulkomplex Königsee. Projektträger: Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, Wärmelieferant: Agrargenossenschaft Königsee e.G. (Mitglied der LEADER Aktionsgruppe) Bemerkenswert ist die Tatsache, dass in der LEADER Region Saalfeld-Rudolstadt mit der Nahwärmeleitung Königsee im Jahr 2009 die erste und mit der Nahwärmeleitung Oberwellenborn im Jahr 2013 die letzte Förderung eines Nahwärmenetzes in Thüringen ausgereicht wird.

Perspektiven:

Die Dorfgemeinschaft ist an dem Projekt gewachsen. Neue Vorhaben werden in Anfgriff genommen. So soll zum Beispiel die überschüssige Abwärme für ein gemeinschaftlich betriebenes Gemüse-Gewächshaus genutzt werden. Der kleine Ort wurde 2013 als Thüringer Förderschwerpunkt der Dorferneuerung anerkannt. Seit 2012 ist die LEADER Region Saalfeld-Rudolstadt Partner der Bioenergieregion Jena-Saale-Holzland und nutzt diese Strukturen, um das Bioenergiedorf Bechstedt als Beispiel für eine autarke Nahwärmeversorgung kleiner Thüringer Dörfer ohne Biogasanlage zu kommunizieren. Ob sich der mutige Schritt zu mehr Bürgerverantwortung langfristig auch wirtschaftlich auszahlt, hängt nicht zuletzt von den politischen Rahmenbedingungen in Deutschland ab. Einnahmen aus der Strom-Einspeisevergütung sind fester Bestandteil der Einnahmen-Kalkulation.

Nach oben