Biodiversität auf dem Teller

Online-Workshop am 15. September 2021

Wie lässt sich der Schutz der Biodiversität in der landwirtschaftlichen Prozesskette etablieren?

Wie lässt sich der Schutz der biologischen Vielfalt in der Lebensmittelbranche etablieren? Dieser Frage gingen wir bei unserem Online-Workshop mit rund 150 Teilnehmenden nach.

Der Verlust der biologischen Vielfalt wird durch viele Studien (wie beispielsweise der Global Biodiversity Outlook) belegt. Die intensive Landwirtschaft trägt in erheblichem Maß dazu bei. Um für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen, hat die EU die Farm-to-Fork-Strategie vorgelegt. Das Besondere daran: Der Fokus liegt nicht nur auf der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, sondern auch auf den vor- und nachgelagerten Bereichen wie Produktion und Handel.

Beispiele aus der Praxis zeigen, wie sich Biodiversitätskriterien benennen und in der Praxis etablieren lassen oder wie man Wertschöpfungsketten aufbaut. Weitere vorgestellte Projekte versuchen die Verarbeitung und den Handel stärker einzubinden. Auch die Verbraucherkommunikation kann Möglichkeiten für mehr Biodiversität auf dem Teller eröffnen.

Biodiversität messen: das Punktemodell aus der Schweiz

Im Projekt "Mit Vielfalt punkten" entwickelte das FiBL ein Punktesystem, das über 30 Kriterien berücksichtigt, die sich positiv auf die Biodiversität der landwirtschaftlichen Betriebsfläche auswirken. Dr. Sibylle Stöckli stellte das Projekt vor, dessen Ziel es ist, die Leistungen der Landwirte für mehr Biodiversität zu quantifizieren. Inzwischen wird das System in der Beratung angewendet und findet auch in abgewandelter Form bei Labeln wie IP Suisse und Biosuisse Anwendung.

Mit Vielfalt punkten – ein Forschungs- und Umsetzungsprojekt (PDF 2,8 MB)
Sibylle Stöckli

Biodiversitätsrichtlinie von Bioland

Katharina Schertler ist maßgeblich an der Entwicklung einer Biodiversitätsrichtlinie für Bioland beteiligt, die seit diesem Jahr in der Umsetzung ist. Ab 2022 sind für alle Verbandsmitglieder Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität verbindlich umzusetzen. Dabei können sie aus einem Katalog von unterschiedlichen Maßnahmen wählen. Voraussetzung ist es, eine bestimmte Anzahl von Punkten zu erzielen. Die Landbewirtschaftenden gehen damit in Vorleistung, denn der Mehraufwand wird zunächst nicht zusätzlich entlohnt.

Bioland Biodiversitätsrichtlinie (PDF 1,8 MB)
Katharina Schertler

Regionale, biodiverse Wertschöpfungsketten

Das Projekt "Wertschöpfungsketten für den Bio-Fachhandel" hat das Ziel, eine Koordinierungsstelle einzurichten, die das Angebot und die Nachfrage nach Bioprodukten in der Region erfasst, bündelt und lenkt. Das Bundesprogramm Ökolandbau fördert über eine Richtlinie die Etablierung von Bio-Wertschöpfungsketten. Markus Blenk vom Biokreis e. V. baut als einer der sogenannten Wertschöpfungsmanager eine Informationslogistik zu bestimmten Themen, wie zum Beispiel zur Ur-Milch (weitere Informationen siehe Downloads) auf, und schafft so eine Kommunikationsplattform für alle Beteiligten einer Wertschöpfungskette.

Wertschöpfungskettenmanager (PDF 2,7 MB)
Markus Blenk

Artenreiche Braugerste

Die Warburger Brauerei hat im Rahmen eines LandAufSchwung-Projekts einen Braugersten-Euro eingeführt. Die Idee: Für den regional gekauften Doppelzentner Braugerste zahlt die Brauerei je einen Euro in einen Fördertopf ein. Mit dem Geld werden Naturschutzmaßnahmen wie Lerchenfenster finanziert, so berichtete der Geschäftsführer der Brauerei, Franz-Axel Kohlschein.

Klaus Engemann vom Biolandhof Engemann produziert Bio-Braugerste, unter anderem für die Warburger Brauerei. Er setzt neben den Lerchenfenstern weitere Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität um, engagiert sich für die Etablierung regionaler Wertschöpfungszentren sowie für eine klimaneutrale Landwirtschaft.

Biodiversität in Verarbeitung und Handel (PDF 1,8 MB)
Franz-Axel Kohlschein

Biodiversitätsschützende Lebensmittel (PDF 3 MB)
Klaus Engemann

Verbraucherkommunikation – Den Erhalt der Biodiversität honorieren

Amelie Michalke ist an der Universität Greifswald für das Projekt "How much is the dish?" zuständig. Das Projekt wird durch die BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt gefördert. Durch das sogenannte True Cost Accounting werden neben direkten Produktionskosten unter anderem auch ökologische Folgekosten, wie der Erhalt der Biodiversität, in den Lebensmittelpreis einberechnet. Diese wissenschaftliche Grundlage zur Preisgestaltung von Lebensmitteln soll vor allem als Hilfestellung bei der Umsetzung von politischen Entscheidungen dienen.

Als Leiter des Referats "Vermarktung, Marketing und Ernährungswirtschaft" beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg befasst sich Bruno Krieglstein seit langem mit den Kaufkriterien von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Der Schutz der Biodiversität ist ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit und bereits in einigen Regionalmarken und Projekten fest verankert.

Was Lebensmittel kosten müssten (PDF 2,1 MB)
Amelie Michalke

Verbraucherkommunikation (PDF 5,7 MB)
Bruno Krieglstein

Wie gelingt die Biodiversität auf den Teller?

Wir diskutierten abschließend mit:

  • Ralph Dejas, Global Nature Fund & Food for Biodiversity
  • Prof. Dr. Hiltrud Nieberg, Thünen Institut & WBAE
  • Nicolas Barthelmé, Du bist hier der Chef! Die Verbrauchermarke e. V.
  • Michael Berger, WWF Deutschland
  • Matthias Leimbach, Landwirt & Marktgemeinschaft KraichgauKorn

Es besteht Konsens, dass Optimismus angebracht ist, denn Themen wie Natur- und Umweltschutz sind längst in der Breite der Gesellschaft angekommen. Trotzdem müssen Themen wie der Schutz unserer Biodiversität wieder Einzug in unser Bildungssystem halten, um eine dauerhafte Sensibilisierung von klein auf zu gewährleisten.

Initiativen wie „Du bist hier der Chef“ zeigen, was Verbraucherinnen und Verbrauchern bei ihrer Ernährung wichtig ist und wofür sie bereit sind, mehr zu bezahlen. Entscheidend ist eine verlässliche und einheitliche Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel. Dafür wäre ein staatliches Label sinnvoll. Doch nicht immer ist eine solche Kennzeichnung förderlich: Grundlegende Anforderungen an eine nachhaltige Bewirtschaftung müssen selbstverständlich werden.

Nicht zuletzt die Gemeinsame Agrarpolitik der EU stellt dafür die Weichen. Zukünftig sollten Subventionen zielgerichteter ausgegeben und Maßnahmen zum Natur-, Umwelt- und Klimaschutz fair honoriert anstatt durch Anreizkomponenten ausgeglichen werden. Außerdem gilt es, Beratungsangebote auszubauen. Auch die regionale Vermarktung und kooperative Zusammenarbeitsmodelle sollten vermehrt unterstützt werden. Durch eine faire Vergütung der Landwirtschaft ließe sich auch die Internalisierung der höheren Preise für biodiversitätsfördernde Produkte abschwächen.

Es gibt bereits viel Inspiration und neue Wege, wenn es darum geht, mehr Biodiversität in unserer Lebensmittelkette zu verankern. Es fehlt teilweise lediglich an einer erfolgreichen Vernetzung beteiligter Akteure und Akteurinnen für einen flüssigen Wissenstransfer.

Downloads & weiterführende Links

Kontakt

Camilla Bentkamp
0228 68 45 27 70
Camilla.Bentkamp@ble.de

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