Mittelalterliche Wandmalereien in altmärkischen Kirchen
Wandmalereien in der Dorfkirche Hohenlangenbeck. Foto: T. Arnold, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.
Stand:
19.03.2019
Kontakt:
Evangelischer Kirchenkreis Stendal
Am Dom 18
39576 Hansestadt Stendal
Evangelischer Kirchenkreis Salzwedel
Neuperverstraße 2
29410 Hansestadt Salzwedel
E-Mail: wandmalerei@lda.stk.sachsen-anhalt.de
Kooperationsprojekt
Art der Kooperation:
- gebietsübergreifende Kooperation
ELER-Förderung:
ja
Finanzierung:
Projektfinanzierung
- Eigenmittel der Evangelischen Kirchenkreise
- Zuwendung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER)
Förderung Projektkoordination
- Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
- Kirchliche Stiftung Kunst und Kulturgut in der Kirchenprovinz Sachsen
Laufzeit:
14. März 2018 bis 30. Juni 2020
Themen:
- Kunst, Kultur und Kulturerbe
Förderperiode:
Beschreibung
Zusammenfassung:
In kaum einer anderen Region Europas hat sich eine derart hohe Dichte an mittelalterlichen Wandmalereien erhalten wie in der Altmark. In den nahezu authentisch überkommenen Kirchenräumen wird für den Betrachter das Mittelalter erlebbar.
Um diesen kulturellen Reichtum bekannter zu machen, haben die Kirchenkreise Salzwedel und Stendal auf Initiative des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 2018 ein zweijähriges Kooperationsprojekt begonnen.
Projektziel ist die interdisziplinäre kunstwissenschaftliche Erforschung der mittelalterlichen Wandmalereien und die Zusammenfassung der Ergebnisse in einer Studie. Weiteres Ziel des Projektes ist die Vermittlung der Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit, um die Menschen vor Ort für die Bedeutung der Wandmalereien zu sensibilisieren und regionalen Akteuren die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe zu geben. Diese soll überwiegend in Workshops erfolgen.
Wissenschaftlicher Leiter des Projektes ist das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA). Ermöglicht wurde das aus Zuwendungen des Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) finanzierte Kooperationsvorhaben durch das Engagement der Lokalen Aktionsgruppen Mittlere Altmark und Uchte-Tanger-Elbe. Die Projektsteuerung wird durch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und die Kirchliche Stiftung Kunst und Kulturgut in der Kirchenprovinz Sachsen unterstützt. Nach Abschluss des Projekts ist eine Publikation der Wandmalereien und der Forschungsergebnisse durch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt geplant.
Ausgangssituation:
Sachsen-Anhalt zeichnet sich durch eine außergewöhnlich hohe Qualität und Quantität des überkommenen Wandmalereibestandes aus. Allein in der Altmark haben sich in etwa 70 Kirchen hoch- und spätmittelalterliche Wandmalereien erhalten – eine Dichte, die wohl auch im europäischen Vergleich einzigartig ist. Die vorhandenen Darstellungen reichen von graffitigleichen Strichzeichnungen rätselhafter Bedeutung bis hin zu umfangreichen und komplexen Bildprogrammen von höchster künstlerischer wie technischer Qualität. Im Laufe der Jahrhunderte häufig aufgegeben und überstrichen, waren die Wandmalereien nach ihrer Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert Gegenstand unterschiedlicher Herangehensweise und Konzepte seitens der Denkmalpflege, Gemeinden und Restauratoren. Sie stellen somit auch ein wichtiges Zeugnis zur Geschichte der Denkmalpflege und Restaurierung dar. Eine weitere Besonderheit der altmärkischen Kirchen – überwiegend hochmittelalterliche Feldsteinkirchen – finden sich in den zum Teil hervorragend erhaltenen und unberührt überkommenen bauzeitlichen Putzen und Putzgestaltungen im Außenbereich, die nördlich der Alpen in diesem Umfang sehr selten geworden sind.
Diese Tatsachen belegen die hohe geschichtliche Bedeutung der Altmark, die seitens der landeskundlichen Forschung bisher nur wenig Beachtung fand. Einen Katalog, der einen Überblick über das wertvolle Erbe bietet, gibt es für Sachsen-Anhalt – wie auch für andere Bundesländer – bisher nicht, eine entsprechende Würdigung und Nutzung des vorhandenen Kulturerbes ist daher nicht möglich.
Erst die Gesamtschau der erhaltenen Wandmalereien kann es nun ermöglichen, eine Ahnung vom Aussehen des mittelalterlichen Kirchenraumes zu erhalten, dessen symbolhafte Architektur sich nur zusammen mit den Wandbildern interpretieren und erschließen lässt.
Inhalt:
Eine nachhaltige Grundlage zur Erhaltung der mittelalterlichen Wandmalerei in der Altmark und zur Umsetzung von Projekten zu ihrer Würdigung und Inwertsetzung kann nur eine fundierte wissenschaftliche Analyse des Bestandes sein. Grundlegend für das Projekt ist daher die restauratorische Bewertung des materiellen Bestandes im Hinblick auf Authentizität, Erhaltungsumfang und -zustand sowie Herstellungstechnik der Malereien. Diese erfolgt unter Einbeziehung der beim LDA bereits vorhandenen Vorarbeiten (Vor-Ort-Schnellerfassung der meisten Wandmalereien sowie Recherche zur Restaurierungsgeschichte im Archiv des LDA). Zur Klärung bestimmter Fragestellungen sind archäometrische Analysen hinzuzuziehen. Auf dieser Grundlage erfolgt die kunsthistorische Einordnung der Wandmalereien (etwa Ikonographie, Datierung, Stilistik).
Mittelalterliche Wandmalerei und Architektur bilden eine Einheit, daher muss eine Analyse der Malereien auch die Baugeschichte der Kirchen berücksichtigen. Hierzu erfolgt die Untersuchung sowie Erstellung von Grundrissen und Baualtersplänen durch Bauforscher, für ausgewählte Kirchen verbunden mit Archivrecherchen zur Baugeschichte. Die Ergebnisse der restauratorischen, kunsthistorischen und bauforscherischen Analyse werden durch die Wissenschaftler für jede Kirche schriftlich zusammengefasst, als auch übergreifend in resümierenden Aufsätzen ausgewertet. Diese Beiträge führt das LDA zu einer Studie bestehend aus einem Aufsatz- und einem Katalogteil zusammen.
Die Wandmalereien sind Ausdruck ihrer Zeit und ohne Kenntnis der Einflüsse, die zu ihrer Entstehung führten, nicht verständlich. Die Darstellung der historischen Zusammenhänge erfolgt durch einen Historiker. Fotografien und Abbildungen spielen bei der Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Projektes eine wichtige Rolle. Dabei kann für die meisten Objekte auf vom LDA angefertigte Fotografien zurückgegriffen werden. Für herausragende Malereien und solche, die eine besondere Fototechnik erfordern, sind zusätzliche Aufnahmen anzufertigen. Manche Malereien sind aufgrund ihres Erhaltungszustandes schwer zu entziffern. Hierfür werden soweit erforderlich und möglich durch den Restaurator "Lesehilfen" in Form von Umrisszeichnungen oder digital bearbeiteten Fotos angefertigt.
Die Vermittlung der Projektinhalte in der Öffentlichkeit zur Sensibilisierung regionaler Akteure ist ein wesentliches Anliegen des Kooperationsprojekts. Dazu gehört auch die Einbindung der beiden Lokalen Aktionsgruppen als Initiativgruppen des LEADER-Prozesses in der Region.
Für weiterführende Informationen zum Kooperationsprojekt wurde eine Projektwebsite eingerichtet, die mit den Internetseiten der Kirchenkreise und des LDA verlinkt ist. Die Projektwebsite gibt einen Überblick über die im Projekt erforschten Wandmalereien und informiert über aktuelle Veranstaltungen des Projektes.
Für den wissenschaftlichen Austausch der im Kooperationsprojekt forschenden Spezialisten mit Fachkollegen sind Kolloquien zur Präsentation und Diskussion der Ergebnisse geplant. Die Kolloquien dienen auch dazu, die altmärkischen Wandmalereien und das Kooperationsprojekt in der Fachwelt bekannter zu machen und die Vernetzung auf dem Forschungsgebiet der mittelalterlichen Wandmalerei zu stärken.
Öffentliche Vorträge stellen der interessierten Öffentlichkeit das Projekt vor. Außerdem ist zum Abschluss des Kooperationsprojektes ein Workshop für regionale Akteure und Multiplikatoren geplant, bei dem die Forschungsergebnisse des Projektes, also die Bedeutung, Charakteristika und Besonderheiten der Kirchen und Wandmalereien in anschaulicher Form vermittelt werden sollen. Das Konzept für den Workshop (Rahmen, Ort) soll gemeinsam im Kooperationsprojekt unter Einbindung der LAGs entwickelt werden.
Im im Anschluss an das Projekt informiert eine kleine Wanderausstellung über das Kooperationsprojekt und dessen Ergebnisse. Auf diese Weise kann je nach Ausstellungsort (etwa Stadtkirche, Gemeindezentrum, Sparkasse) ein erweiterter Personenkreis auf das Kulturerbe Wandmalerei aufmerksam gemacht werden. Ein Begleitheft ergänzt die Ausstellung in geeigneter Weise, in dem alle Altmarkkirchen mit mittelalterlicher Wandmalerei kurz vorgestellt werden. So bekommt der Interessierte einen Überblick und wird zum Besuch weiterer Kirchen eingeladen. Das Heft soll allen Gemeinden langfristig für den eigenen Bedarf, etwa zur Aushändigung an Besucher zur Verfügung stehen.
Ziele:
Ziel des Projektes ist es, die zahlreichen mittelalterlichen Wandmalereien der Altmark im Rahmen einer kunstwissenschaftlichen Studie zu untersuchen und die Ergebnisse durch intensive Öffentlichkeitsarbeit zugänglich zu machen und zu vermitteln. Auf diese Weise soll der bedeutende Wandmalereibestand für die weitere dringend erforderliche Forschung, aber auch für interessierte Laien erschlossen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit im Projekt dient unmittelbar dazu, dem kulturellen Reichtum der Altmark in der öffentlichen Wahrnehmung zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen und bei den Menschen vor Ort Identifikation zu stiften. Gleichzeitig legt die Studie den Grundstein für eine weitere touristische Profilierung der Region.
Nicht zuletzt stellen die Erfassung der Wandmalereien und deren Zustandsbewertung die Basis für die effiziente Planung von dringend erforderlichen Konservierungs- und Monitoringmaßnahmen dar.
Durch das Projekt soll der mittelalterlichen Wandmalerei in der Altmark regional und überregional zu mehr Aufmerksamkeit verholfen werden. Eine fundierte wissenschaftliche Analyse und die Sensibilisierung regionaler Akteure bieten vielfältige weiterführende Entwicklungsmöglichkeiten:
- Innerhalb der Gemeinden (dies gilt auch über die Kirchengemeinden hinaus) stärkt das Wissen über Bedeutung und Wert der Wandmalereien die Identifikation mit dem eigenen kulturellen Erbe und fördert das Interesse für dessen Erhaltung. Vorträge zu den Wandmalereien beleben die Aktivitäten innerhalb der Gemeinden; diese können von Fachleuten, aber auch von interessierten Gemeindemitgliedern auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Forschungsergebnisse erarbeitet werden und bieten Gelegenheit zur Vernetzung mit anderen "Wandmalereikirchen" auch über LAG-Grenzen hinaus.
- Das Projekt liefert Erkenntnisse zu dringend erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen an den Wandmalereien, die vom LDA, gegebenenfalls in Kooperation mit Hochschulen für Restaurierung, mit angeschoben werden können. Die vorhandene wissenschaftliche Studie wird die Fördermittelakquise für künftige Konservierungsvorhaben erheblich erleichtern, was wiederum den Gemeinden und der Region zugute kommt.
- Die wissenschaftliche Analyse zu den Wandmalereien bietet die Grundlage für eine weitere touristische Profilierung der Altmark (Entwicklung einer Wandmalerei-Route oder Eingliederung besonders bedeutsamer Objekte in bestehende Routen, etwa Straße der Romanik, Altmarkrundkurs, Mitteldeutsche Kirchenstraße), wovon zahlreiche regionale Akteure profitieren können.
Das Projekt bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, Expertise auf dem Gebiet der altmärkischen Kunst und Kultur zu sammeln. Die Studie liefert den Inhalt für eine Publikation über die Wandmalerei in der Altmark, die vom LDA herausgegeben wird. Die Veröffentlichung in Form eines fundierten Bildbandes stellt einen bleibenden Wert dar und soll Kunstwissenschaftler wie interessierte Laien gleichermaßen ansprechen. So wird deutschlandweit vorhandenes kunstwissenschaftliches Fachinteresse auf die Altmark gelenkt und die Voraussetzung zur weiteren Forschung geschaffen.
Besonderheiten:
Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist für die fachwissenschaftliche Leitung des Projektes verantwortlich und gewährleistet, dass das Projekt nach den wissenschaftlichen Standards durchgeführt wird. Die Projektsteuerung wird durch die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und die Kirchliche Stiftung Kunst und Kulturgut in der Kirchenprovinz Sachsen unterstützt.
Perspektiven:
Das reiche Kulturerbe stellt auch eine Verpflichtung dar. Der im Rahmen des Projektes gewonnene Überblick über die Wandmalereien bildet die Voraussetzung zur Entwicklung künftiger Erhaltungsstrategien. Durch Umbauten und Renovierungen dezimiert, Moden der Raumgestaltung und Restaurierung unterworfen, extremen klimatischen Einflüssen ausgesetzt und nicht zuletzt in ihrem Wert unterschätzt, war und ist Wandmalerei eine besonders gefährdete Kunstgattung. So trat bei der bisherigen Erfassung vor Ort schon mehrfach dringender Handlungsbedarf aufgrund fortschreitender Wandmalereischäden zutage. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse konnten mittlerweile an drei besonders gefährdeten Wandmalereien Konservierungsmaßnahmen veranlasst werden.