Auf dem Land zu Hause

Was tut sich beim Wohnen?

Online-Workshop am 19. Januar 2022

Download: Zum Programm (PDF 566KB)

Wohnen auf dem Land: Was heißt das heute überhaupt? Welche Vorstellungen und Erwartungen gibt es? Was sind Bedarf und Bedürfnisse? Gibt es passende Angebote? Kommt der Drang aus den Ballungszentren nur dem erweiterten Speckgürtel zugute? Nutzt die zunehmende Arbeit im Homeoffice den ländlichen Räumen?

Nicht nur die Folgen der Corona-Pandemie haben Auswirkungen auf die Nachfrage an den Wohnungsmärkten und in der Immobilienwirtschaft. Auch die sich wandelnde Demografie, Arbeits- und Lebenswelten sowie der Klimawandel sind Treiber der Transformation. Klar ist, ländliche Räume sind so vielfältig wie die Vorstellungen vom Wohnen. So stehen steigende Wohnkosten in vielen Teilen Deutschlands Regionen mit Bevölkerungsrückgängen gegenüber, in denen es zumindest rechnerisch einen Überhang an Immobilien gibt.

Die Veranstaltung näherte sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Formaten. Etwa 200 Teilnehmende erhielten Impulse durch Vorträge von Praktikern und Forschenden zum Thema Wohnen, tauschten sich in Kleingruppen aus und konnten Interessantes über Homberg (Efze) erfahren. Von der Online-Veranstaltung wurde immer wieder live in die Kleinstadt im Schwalm-Eder-Kreis geschaltet. Für die Live-Schalten gab es schon während der Übertragung viel positive Resonanz.

Vor allem aber stellten wir Projektbeispiele und -ideen sowie Möglichkeiten der Unterstützung für Wohnprojekte und Netzwerke vor. Ziel dieser Angebote ist es, sowohl aufzuzeigen, wie gemeinschaftsorientiert gewohnt und flächensparend gebaut wird, aber insbesondere auch, wie Menschen für das Landleben begeistert werden können. Weitere Ziele sind daneben die Erschließung neuer Wohnräume und die innovativen Nutzung alter Gebäude.

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Summer of Pioneers – Eindrücke aus Homberg (Efze)

Am Marktplatz von Homberg, umsäumt von historischen Fachwerkhäusern, leben Pioniere. Seit vergangenem Jahr zieht das Projekt „Summer of Pioneers“ am Landleben Interessierte in die nordhessische Kleinstadt, damit sie – zunächst auf begrenzte Zeit – den Ort beleben.

Gemeinsam mit Dr. Nico Ritz, Bürgermeister von Homberg, und Jonathan Linker aus dem Netzwerk der Homeberger schauten wir auf die Chancen und Herausforderungen der Stadt. Linker, der zu den Initiatoren des „Summer of Pioneers“ in Homberg gehört, ist der Ansicht, dass die Stadt Homberg und die Region vieles zu bieten hat.

Wohnen und Arbeiten auf Probe, alle profitieren

Der Summer of Pioneers, mittlerweile in verschiedenen Städten Deutschlands erprobt, schreibt sich auf die Fahnen, Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus dem Großstadtleben aussteigen möchten, probeweise das Leben in kleinen Städten auf dem Land zu ermöglichen. Im Unterschied zu Aussteigern der Vergangenheit geht es nicht um ein komplett neu erfundenes Lebensmodell, sondern um die Verlagerung des Wohnortes, die Arbeit zieht digital mit. Aus Sicht des Bürgermeisters ein Win-win-Geschäft, da eine Stadt wie Homberg stark im Wandel begriffen ist und infolgedessen auch viele Chancen in Form von leerstehenden Immobilien zu bieten hat.

So konnten sich die Teilnehmenden direkt ansehen, was durch die Pioniere vor Ort entstanden ist. Beispielsweise die FreiRaumStation, für die Katrin Hitziggrad zeigte, wie sich leerstehende Ladenlokale umfunktionieren lassen und damit Perspektiven für neue Nutzungen entstehen, ob als Treffpunkt, Veranstaltungsraum, Galerie, Werkstatt oder Pop-up-Store.

Es gibt keine Blaupause für alle Orte, aber die Pioniere bieten Anregungen, neue Ideen zur Belebung von Städten und Dörfern zu entwickeln. In Homberg hat das bereits funktioniert: Einige Pioniere der ersten Runde wollen in der Stadt bleiben, gemeinsam einen alten Bauernhof sanieren und beziehen. Und nach einem „Winter of Pioneers“ kommt der nächste Sommer.

 

Was ist dran an der neuen Landlust – Wer kommt und wenn ja, wohin?

Vortrag zum Download (PDF 2,2 MB) von Ludger Baba, Empirica

„Gibt es die neue Landlust?“, fragte Ludger Baba zum Einstieg in seinem Beitrag. Nicht einfach zu beantworten, das Wanderungsverhalten stellt sich differenziert dar. Es gibt Gewinner- und Verliererregionen – und es gewinnen nicht ausschließlich die angesagten Stadtregionen. Und ländlich ist nicht gleich abgehängt. Auch wenn das Einfamilienhaus weiterhin die beliebteste Wohnform zu sein scheint, kann die Qualität auch anderer Wohnformen die Attraktivität von Standorten beeinflussen.

 

Wie finden Landlust und Landleben zusammen? – Innovative Ideen und Konzepte

Vortrag zum Download (PDF 14 MB) von Silvia Hennig, Neuland 21

Die Corona-Pandemie führt nicht zu einer Stadtflucht. Aber Corona hat Wohnortpräferenzen durchaus verändert und als „Gamechanger“ auch Voraussetzungen dafür geschaffen, Umzugspläne freier als bislang in die Tat umzusetzen. Etwa ein Viertel der Stadtbevölkerung verspürt den Wunsch, auf dem Land zu leben. Diese neue Landlust birgt Risiken und Chancen. Es gilt, diesen Wandel zu gestalten und so die Chancen zu nutzen. Idealerweise arbeiten Kommunen dabei mit Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen.

Fragen und Antworten zum Vortrag:

Kann es durch Zuzug zu weniger Gewerbetreibenden und Steuereinnahmen kommen?

  • Uns macht das Sterben von Einzelhandel und Handwerk Sorgen. Bei der Fachkräftewanderung findet hier nicht unbedingt ein Matching statt, sodass Probleme bei der Unternehmensnachfolge vermutlich bleiben. Vereinfacht gesagt: Solange Handwerker in Rente gehen, angestellte Akademiker zuziehen und sich keine neuen Branchen ansiedeln, könnten die Gewerbeanmeldungen trotz Zuzug weiter sinken, damit auch die Steuereinnahmen.

Gibt es statistische Daten dazu, wie viele Personen in den Einfamilienhäusern im ländlichen Raum wohnen (Gedanke: verdeckter Leerstand in älteren Einfamilienhäusern, da nur noch von Einzelpersonen bewohnt)?

  • Statistisch erfasst und einsehbar sind solche Indikatoren wie die Wohnfläche pro Kopf. Im Land Brandenburg etwa rangiert sie in der Landeshauptstadt bei 49m². Im ländlichsten Landkreis liegt sie bei 59m². In diesen beiden Fällen zwar nur ein Mittelwert, der auf Gemeindeebene vermutlich eine viel größere Varianz aufweisen würde, aber riesig sind die Unterschiede nicht.

Welche Rolle spielt die Wiedernutzung von Leerstand bei der Entscheidung für den ländlichen Raum? Kann der mit der Suche nach dem klassischen Einfamilienhaus mithalten?

  • Das Einfamilienhaus ist immer noch die beliebteste Variante bei zuziehenden Familien, aber die Frage, ob das Einfamilienhaus im Bestand oder im Neubau entsteht, ist wichtig (siehe Jung kauft Alt) und auch ob andere attraktive Angebote (Wohnung und trotzdem Garten, etc.) geschaffen werden.

Die Revitalisierung eines Leerstandes sollte ja auch immer wirtschaftlich darstellbar sein. Gelingt dieses nicht, ist es eventuell auch eine Alternative, sich im Einzelfall doch für den Abriss zu entscheiden und die Fläche sodann für neue, innovative Grünflächenkonzepte zu nutzen?

  • Natürlich ist Rückbau auch immer eine Alternative, aber wir stellen fest, dass sich der Blick auf die Frage, was bei bestimmten Leerständen machbar, finanzierbar und umsetzbar ist (auch im wirtschaftlichen Sinne) zwischen den langjährigen, teils frustrierten Eigentümern und den neuen Interessenten unterscheidet. Für viele Projekte soll es unbedingt ein Leerstand mit Charakter sein. Deshalb lieber vorher noch eine produktive Vermittlungsphase einschieben, bevor Rück- oder sogar Neubau angesetzt werden. Rückbau sollte auch aus Nachhaltigkeitsaspekten immer die letzte Alternative sein, es ist wichtig, dieses Thema nicht zu tabuisieren.


Bleiben in ländlichen Räumen – Befunde aus laufenden Forschungsprojekten

Vortrag zum Download (PDF 1MB) von Dr. Annett Steinführer und Franziska Lengerer, Thünen Institut für ländliche Räume

Wanderungen – vor allem das „Gehen“ – sind ein zentrales Narrativ über „das Land“. Aber das Abwandern bzw. das Gehen ist nur eine von mehreren Wohnstandortsentscheidungen. Die Frage des Bleibens wird erst seit wenigen Jahren genauer unter die Lupe genommen. Einen wichtigen Einfluss auf Gehen oder Bleiben üben auch die verfügbaren Wohnformen aus. Auch wenn das Einfamilienhaus die meist bevorzugte Wohnform ist, sind die Präferenzen je nach Lebensphase unterschiedlich. Sowohl ein vielfältiges Angebot als auch gesichertes Wissen zu anderen Formen des Wohnens ist für viele ländliche Räume Mangelware.



Austausch in Kleingruppen und Diskussion im Plenum

Dass Land nicht gleich Land ist, ist klar. In der Diskussion wurde dieser Aspekt mit dem Argument betont, dass Ideen nicht einfach und ohne Weiteres übertragen werden können. Spannend sei, wie sich die Corona-Zäsur auf die jeweilige Region unterschiedlich auswirken werde. Wie werden die Änderungen durch die Krise in zehn Jahren bewertet werden? Was werden die langfristigen Veränderungen sein?

Zuzug gestalten

Als sehr wichtig wird die nachhaltige Organisation des Zuzugs angesehen. Mögliche Verdrängungseffekte gelte es zu minimieren, beispielsweise in Regionen, in denen Freizeitnutzungen von Immobilien zu steigenden Preisen führen, oder dort, wo wirtschaftliche Entwicklungen schnell stattfinden, wie in der „Tesla-Region“ in Brandenburg. Insbesondere die Integration von Menschen, die aus städtischen Räumen zuziehen, wird als Herausforderung gesehen. Welche Formate sind geeignet, Zugezogene und die vor Ort Wohnenden zusammen zu bringen? Es wird die Gefahr von „Parallelgesellschaften“ gesehen, unter anderem dadurch, dass sich „Einheimische“ und Zugezogene in unterschiedlichen Lebensphasen befinden. Generell sollten die Bleibeperspektiven stärker in den Blick genommen werden.

Insbesondere in Zuzugsgebieten fehlt es an interkommunalen und grenzübergreifenden Abstimmungen und die Frage lautete: Wie können Anreize für intensivere Dialogprozesse aussehen? Durch alle Reihen hinweg war man sich einig, dass integrierte Entwicklungsansätze und die Beteiligung sowohl politischer als auch zivilgesellschaftlicher Netzwerke gestärkt werden sollten.

Angebot verbessern, Sichtbarkeit erhöhen

In vielen ländlichen Räumen ist es schwierig, adäquate und bezahlbare Mietwohnungen zu finden, zumal es zu wenige Angebote für Teile der sehr ausdifferenzierten Zielgruppen gebe. Vielfach fehlen geeignete Wohnobjekte oder sie sind nicht auf dem Markt verfügbar (versteckter Leerstand). Vorrangig geht es darum, ungenutztes Potenzial – Baulücken oder Leerstände – zu erkennen und in Wert zu setzen, Hemmschwellen der Innenentwicklung sollten abgebaut werden.

Kümmerer für Leerstand auf Ortsebene werden als wichtig für die Ortsbelebung angesehen. In den Kommunalverwaltungen als wichtige Akteure seien nicht immer die nötigen Kompetenzen vorhanden, sodass beispielsweise die kommunale Planungshoheit nicht ausreichend „ausgespielt“ werden könne.

Die räumlichen Ebenen in Kommunen und Landkreisen, auf denen Immobilien angeboten werden, passen häufig nicht zur Struktur der Nachfrage. Nachfrager kennen diese Regionen nicht, suchen eher thematisch oder großregional. Aus diesem Grund sollte das Angebot passgenauer und in interkommunaler Zusammenarbeit organisiert werden um das „Matching“ zu verbessern.

Lebensphasen beachten

Motive von Wanderungen, die Menschen in bestimmten Lebensphasen machen, sollten stärker beachtet werden, so beispielsweise der Wegzug junger Menschen zur Ausbildung. Eine Herausforderung ist, diese Menschen wieder für die Region zu gewinnen. Hierzu sollten stärkere Anreize geschaffen werden. Generell sollten junge Familien als wichtige Zuzugs-Zielgruppe stärker in den Blick genommen werden. Aber auch die Bedürfnisse alternder Menschen sollten berücksichtigt werden und es braucht generationenübergreifende Angebote. Um spezielle Bedürfnisse, zum Beispiel von Pflegebedürftigen oder Demenzkranken zu berücksichtigen, könnte über Angebote der sozialen Landwirtschaft nachgedacht werden.

Langfristige Finanzierung sicherstellen

Finanzierung von Projekten sei oft schwierig. Die Nachfragen in den einschlägigen Förderprogrammen sei häufig deutlich höher als Angebot. Generell wird festgestellt, dass die Förderprogramme flexibilisiert werden sollten und die Fristen beispielsweise der LEADER Förderung abschreckend seien.



Projekte, Unterstützung, Netzwerke – parallele Sessions

Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ stellten sich in parallelen Sessions insgesamt zwölf Projekte, Netzwerke sowie Unterstützungs- und Finanzierungsangebote vor. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird das Wohnen auf dem Land mal gemeinschaftsorientiert, mal flächen- und ressourcensparend oder Generationen übergreifend betrachtet.



Weiterführende Links – zusammengestellt aus Beiträgen der Teilnehmenden

(die auf einzelne Beiträge bezogenen Links finden Sie bei den Präsentationen)

Projektbörsen für gemeinschaftliches Wohnen:


Strategien und Erfahrungen aus Modellprojekten für das Wohnen und die Pflege im Alter:




Weitere Informationen zu Projekten im Themenfeld





Kontakt

Stefan Kämper
0228 68 45 37 22
stefan.kaemper@ble.de

Moritz Kirchesch
0228 68 45 39 68
Moritz.Kirchesch@ble.de

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