ELER und Umwelt 2023

Welche Aussichten bietet die neue GAP-Förderperiode für den kooperativen Agrarumweltschutz?

Tagung am 21. und 22. März 2023 in Halle-Merseburg

Programm (PDF, 400 KB)

 

Pressebericht

Dr. Jan Freese von der DVS hat die Ergebnisse und Erkenntnisse in der Bauernzeitung zusammengefasst.

Zum Bericht (PDF, 416 KB)

 

Die Verhandlungen zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) für die Förderperiode 2023 bis 2027 sind abgeschlossen. Der deutsche Nationale Strategieplan liegt vor und beschreibt Instrumente und Maßnahmen, durch die die neue GAP grüner und nachhaltiger werden soll.

Der kooperative Ansatz im Agrarumweltschutz ist ein Thema, das bereits die vergangene Förderperiode begleitete. Dieses Modell wird in den Niederlanden bereits entwickelt und erprobt.

  • Evaluation des Niederländischen Modells: Collectiv Approach in Progress (PDF, 5,1 MB) – University & Research Wageningen, Dezember 2021 (in Englisch)

Inzwischen erproben aber auch Pilotprojekte in Deutschland ähnliche Ansätze. Der Konsens ist: Gemeinsam lassen sich Ziele wie der verbesserte Biodiversitätsschutz in der Agrarlandschaft effizienter erreichen! Eine Übersicht der Kooperationsprojekte in Deutschland gibt es hier.

Gleichzeitig sind noch viele offene Fragen zu klären: Wie kommen regionale Akteure zusammen? Wie definiert man regionale Ziele und führt sie in einem Konzept zusammen? Wie kann Bürokratie abgebaut werden?

Auf der Veranstaltung kamen rund 110 Teilnehmende in Merseburg zusammen, um zu diskutieren und sich auszutauschen. Der Staatssekretär Gert Zender des Ministeriums für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt eröffnete die Tagung mit optimistischen Worten: Aus dem kooperativen Modellvorhaben in der Magdeburger Börde könne man bereits vieles lernen. Engagierte Gruppen oder auch Einzelpersonen können Landwirtschaft und Naturschutz auch in intensiv bewirtschafteten Regionen zusammengebringen.

Weitere Fachvorträge führten tiefer in den Agrarumweltschutz ein:

 

Naturschutz in die Fläche bringen

Als drittelparitätisch organisierte Verbände setzen Landschaftspflegeorganisationen bereits jetzt überbetrieblichen Agrarnaturschutz mit naturschutzinteressierten und engagierten Landwirtinnen und Landwirten um. Als Kümmerer vor Ort berät die Biologische Station im Kreis Euskirchen inzwischen mehr als 400 Landwirte und greift hierfür auf das vielfältige Angebot an Agrarumwelt-, Klimaschutz- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen zurück. Dabei behalten die Beratenden überbetriebliche, landschaftsbezogene Ziele für den Arten- und Biotopschutz immer im Auge.

In Brandenburg bietet die Förderung kooperativer Biodiversitäts- und Klimaschutzmaßnahmen für die Landschaftspflegeorganisationen neue Möglichkeiten. Dank eines landschaftsbezogenen Planungsansatzes und einer naturschutzfachlich hochwertigen Beratung erhoffen sich alle Beteiligten einen effektiveren Agrarnaturschutz, um den Biodiversitätsrückgang in der Agrarlandschaft aufzuhalten.

Bürokratie abbauen

Die Modellvorhaben in Rheinland-Pfalz (Moko) und Sachsen-Anhalt testen jeweils seit drei Jahren, wie Agrarumweltmaßnahmen gemeinschaftlich und im strengen EU-System umzusetzen wären. In Rheinland-Pfalz haben sich dazu zwei Zusammenschlüsse von Landwirten gegründet: im Landkreis Ahrweiler mit Schwerpunkt Grünland und im Donnersbergkreis mit dem Schwerpunkt Acker.

Eine Auswahl an Maßnahmen beantragen die Landwirte gemeinsam mit Unterstützung einer Beraterin oder Berater. Hier sei insbesondere auf eine Softwarelösung verwiesen, die die Kooperation im Donnersbergkreis mit einem Anbieter und unter Mithilfe der Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz entwickelt hat. Dr. Keller von der Stiftung war ebenfalls dabei und konnte über viele Fragen zu Alltag und Organisation des Zusammenschlusses berichten.

In Sachsen-Anhalt konnten Dr. Birger und sein Team Agrarumweltmaßnahmen speziell für den Artenschutz (Rotmilan, Hamster, Insekten) in der intensiven Ackerbauregion der Magdeburger Börde gemeinschaftlich entwickeln. Im bundesweiten F.R.A.N.Z.-Projekt haben Akteure Maßnahmen entwickelt, die 22 Bördebetriebe nun gemeinschaftlich beantragen können. Dazu zählen unter anderem die Anlage von Erbsenfeldern, der Streifenanbau von extensiv angebauten Getreide oder der Anbau extensiven Sommergetreides.

Auf Grundlage der Vorkommen der Arten und existierender Naturschutzpläne ließen sich die Zielflächen für die Maßnahmen identifizieren. Die Landwirten hat das Team dann hinzugezogen, um die Pläne zu besprechen: Sie boten Flächen an, um besondere Agrarumweltmaßnahmen umzusetzen und erhielten eine Prämie. Im Jahr 2023 wird das Modellvorhaben in die reguläre Förderung des Landes überführt. Gegenwärtig läuft die Entwicklung von fünf weiteren Kooperationen in anderen intensiven Ackerbauregionen.

Fazit: Die Berichte der Projekte aus Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, bei denen von Anfang an die EU-Konformität und Verwaltbarkeit im Fokus standen, verdeutlichten dass das Ziel der Vereinfachung zumindest für die Landesverwaltungen nicht erreicht wird. Das wäre erst dann der Fall, wenn es neben der gemeinsamen Beantragung von Kooperationen von Landwirten keine Einzelbeantragung mehr gäbe.

Da das aber in Deutschland nicht realistisch ist, müssen die Verwaltungen für die Kooperationen ein zusätzliches Verwaltungssystem aufbauen und betreiben. Beratungen und Unterstützung helfen den Betrieben allerdings, den Aufwand zu vereinfachen und das Risiko zu senken. Denn die Kooperation trägt der Agrarumweltmaßnahmen und lenkt damit Kontrollrisiken von den Betrieben weg.

Gemeinsam denken, planen, handeln

Das Projekt KOOPERATIV untersucht, wie die gemeinschaftliche Umsetzung des Agrarumweltschutzes am Beispiel von mehrjährigen Blühstreifen im Landkreis Nordheim gelingen kann. Das erste Interesse ist groß: 43 landwirtschaftliche Betriebe beteiligen sich bereits mit rund 260 Hektaren. Um alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, braucht es Türöffner. Wichtige Projektbeteiligte sind deswegen das Landvolk und die Gemeinden.

Die Diskussion verdeutlichte, dass es viel (Vor-)Arbeit bedarf, um die relevanten Akteure überhaupt zusammenzubringen: Kooperative Strukturen wie Landschaftspflegeverbände gibt es schließlich nicht in allen Regionen Deutschland. Dies gelingt durch Projekte wie KOOPERATIV, Feldhamsterland, HALM-A oder FRANZ. Um die Strukturen  langfristig zu festigen, braucht es langfristige Fördermöglichkeiten, die Kümmerer vor Ort und deren Arbeit unterstützen.

Kooperatives Schutzgebietsmanagement

In Bremen gelingt das harmonische Zusammenspiel von Landwirtschaft und Naturschutz auf einer Fläche durch ein kooperatives Schutzgebietsmanagement. Schlüssel zum Erfolg: einerseits Naturschutzmaßnahmen gemeinsam entwickeln und andererseits eine gewisse Flexibilität bei Anwendung.

Eine besonders wichtige Rolle im Gebietsmanagement nehmen die Gebietsbetreuenden ein. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und den Behörden. Um das Vertrauen auf allen Seiten zu gewinnen, ist es wichtig, dass die Gebietsbetreuenden verlässlich und transparent arbeiten. Außerdem ist eine personelle Kontinuität und die stete Ansprechbarkeit vor Ort nicht zu unterschätzen. Besonders wichtig ist zugleich der Faktor Zeit, wenn es darum geht neue Modelle in einer Region erfolgreich zu verankern.

Grünland Netzwerke etablieren

Im Dreiländereck von Niedersachsen, Thüringen und Hessen gibt es eine Hot-Spot-Region des artenreichen Grünlandes. In den niedersächsischen Landkreisen Göttingen und Holzminden, dem hessischen Werra-Meißner-Landkreis und der thüringischen Region Eichsfeld-Werra-Hainich gibt es noch zahlreiche Schäfereibetriebe, die die Pflege von Natura 2000-Gebieten auf eine breite Basis zu stellen.

Ohne die vielen planerischen und wissenschaftlichen Aspekte des Projektes Schaf Schafft Landschaft zu beleuchten, wurde im Workshop auf das Zusammenspiel der regionalen Partner von Projekt mit Landkreis, Universität, Naturpark, Stiftung, Landschaftspflegeverband und Schäfereien hinweisen. Diese Kooperation finanziert den 18 beteiligten Schäfereien im Werra-Meissner-Kreis eine Teilzeitstelle für einen Schäfer, der gleichzeitig Schäfersprecher und Projektmitarbeiter ist. Dies trug dazu bei, die anfänglich ablehnende Haltung der Schäfer gegenüber dem großen BfN/BMUV-Projekt zu überwinden. Interessen, Bedürfnisse und Kenntnisse der Schäfer haben dadurch eine Chance, ins Projekt einzufließen. Denn die arbeitsintensive Schäferei erlaubt es den Praktikern nicht, intensiver an Projektprozessen teilzunehmen. Auf diese Weise gelingt es, Flächen zu sichern und erstzupflegen, Wanderkorridore, Nachtpferchflächen usw. zu schaffen sowie Technik bereitzustellen – beispielsweise Zäune, Tränken und Transportmittel.

Anschließend hat Dr. Karin Wiesner erläutert, wie Schaf- und Ziegenhalter in der angrenzenden Region Eichsfeld-Werra-Hainich durch einen neu gegründeten Landschaftspflegeverband Unterstützung erhalten.

In Südniedersachsen ist die Lage wieder anders: Im Landkreis Holzminden gibt es erfolgreiche Projekte, die auf jahrzehntelanger Arbeit des Naturparks im Grünlandmanagement aufbauen. Dazu gehört auch Naturschutzberatung, Unterstützung der Tierhalter und die inzwischen vom Land geförderte Gründung einer Biologischen Station, die die geleistete Arbeit und das geschaffene Netzwerk der Akteure dauerhaft sichern kann.

Wirksamkeit von Beratung und betriebsübergreifenden Ansätzen

In einem Projekt der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP-Agri) hat das Ziel, die Biodiversität in der Hellwegbördezu verbessern – dem größten Vogelschutzgebiet Nordrhein-Westfalens. Da das Gebiet überwiegend landwirtschaftlich genutzt wird, ist die Beratung zentraler Bestandteil. Dafür haben sich Landwirtschaftskammer, untere Naturschutzbehörde und Biologische Station zusammengetan. Sie begleiten landwirtschaftliche Betriebe bei der Beantragung und Umsetzung von Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen.

Während der Projektlaufzeit hat das Team so rund 300 Betriebe in der Region beraten und somit viele Naturschutzmaßnahmen im Gebiet umgesetzt. Wichtig ist zugleich, dass diese Maßnahmen auch aus naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll platziert wurden. Das zeigt sich auch im langfristigen Monitoring der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz Soest: Feldvögeln suchten präferiert Maßnahmenflächen auf, die so wichtige Habitate zur Fortpflanzung bieten.

Um Biodiversitätsverlusten effektiv zu begegnen, braucht es aber perspektivisch größere Flächenanteile von über zehn Prozent. Die Diskussion verdeutlichte, dass der Begriff der Kooperation etliche Wege der Ausgestaltung kennt. In vielen Fällen ist Naturschutz eher ein Randthema für landwirtschaftliche Betriebe, aber die meisten sind bereit, sich zu beteiligen. Ihr eigener Arbeitsaufwand lässt sich durch eine kostenlose Beratung minimieren.

Regionale, kooperative Konzepte entwickeln

In Hessen gibt es eine Förderung für die Konzeptentwicklung von kooperativen Projekten für mehr Natur-, Klima- und Umweltschutz in der Landwirtschaft. Ein eingereichtes Konzeptes, das erfolgreich umgesetzt und begleitet wurden, kann bis zu 100 Prozent Förderung erhalten – einem jährlichen Zuschuss von bis zu 50.000 Euro.

Der Main-Kinzig-Kreis fördert beispielsweise die Konzeptentwicklung für das Projekt Wildbienen-Netzwerk-Agrarlandschaft (WibiNA). Zum Schutz von Wildbienen in der Landwirtschaft ist es besonders wichtig, ein kontinuierliches Nahrungsangebot durch artenreiche Blühflächen zu schaffen. Dabei gilt es, regionale Unterschiede der Böden und der geeigneten Saatgutmischungen zu berücksichtigen. Wenig aufwändige Maßnahmen wie das Schaffen einer Pflugfurche zur Eiablage sind besonders einfach umsetzbar. Um Flächen zu generieren und die Maßnahmen zum Wildbienenschutz auch langfristig zu etablieren, ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar.

Der Landkreis Darmstadt-Dieburg förderte ein Agrarumwelt- und Biodiversitätskonzept (AUBI) durch HALM-A. Ziel war es, die Eigenmotivation der Landwirtschaftsbetriebe durch eine starke Beteiligung im Bereich des Agrarumweltschutzes zu stärken. Maßgeblich zum Erfolg führten vor allem runde Tische, an denen alle Beteiligten die wichtigsten Themen besprochen haben. Themen wie der Biodiversitätsschutz müssen präsent sein, denn durch eigene und gemeinsame Visionen ergeben sich auch immer wieder neue Wege. So entwickelte sich sogar über das Projekt hinaus die Motivation in der Winzerschaft, die Flächen zwischen den Weinreben als Blühflächen zu gestalten und so großflächig Biodiversitätsflächen zu schaffen.

Akteure zusammenbringen

Landschaftspflegeverbände mit drittelparitätischer Struktur heißen in Schleswig-Holstein „Lokale Aktionen“.  Seit Jahrzehnten ist die Lokale Aktion „Bündnis Naturschutz in Dithmarschen“ in den Bereichen Natura 2000, Maßnahmenumsetzung, Naturschutzfachliche Beratung und Flächensicherung im Landkreis Dithmarschen mit den Akteuren im Gespräch.

Der Erfolg der Zusammenarbeit gründet unter anderem auf dem Vertrauensverhältnis, das auf Verlässlichkeit, Offenheit, Respekt und Sachlichkeit setzt. Neben passgenauen Fördermöglichkeiten, die für einzelne Vorhaben angeboten werden können, ist auch eine kontinuierliche Betreuung vor Ort wichtig. Um die Akteure vor Ort zusammenzubringen, setzt das Bündnis auf einen Strauß an Maßnahmen: angefangen bei Einzelgesprächen über Gruppenangebote bis zu öffentlichen Veranstaltungen zur Info der Beteiligten.

  • Lokale Aktionen in Schleswig-Holstein (PDF, 6 KB) – Dr. Inken Mauscherning, Lokale Aktion Bündnis Dithmarschen und Matthias Böldt, DVL Koordinierungsstelle Landesarbeitsgemeinschaft

Weiterführende Links:

Welche Ergebnisse erzielte die "ELER und Umwelt"-Tagung in den letzten Jahren?

Zu den Tagungsergebnissen aus dem Jahr 2022

Zu den Tagungsergebnissen aus dem Jahr 2021

 

Kontakt

Camilla Bentkamp
Tel.: 0228 68 45 27 70
Camilla.Bentkamp@ble.de

 

Dr. Jan Freese
0228 68 45 34 77
Jan.Freese@ble.de

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